Dr. Schockenhoff war der Hauptredner der Veranstaltung. Er hielt einen Vortrag zum Thema „Wachwechsel in Russland und Frankreich“.
Unter Einbeziehung seiner Erfahrungen aus erster Hand als Russlandbeauftragter der Bundesregierung beleuchtete er den Machtwechsel in Russland und Frankreich.
In Russland ist Wladimir Putin, der nach zwei Amtsperioden nicht mehr gewählt werden konnte, vier Jahre lang durch Dimitri Medwedew im Sinne Putins ersetzt worden.
Die erneute Präsidentschaft Putins ist in den Augen Schockenhoffs ein schlechtes Signal für die noch junge Demokratie in Russland und damit auch ein schlechtes Zeichen für die Stabilität der russischen Gesellschaft und des Staates. Langfristig werde sich das russische Volk den schon jahrhundertelangen Durchgriff „von oben“ nicht mehr gefallen lassen – Man denke nur an die Zarenzeit über die Diktatur des Proletariats bis zur heutigen Konzentration des Geldes und der Macht auf dem Kreml hörige Oligarchen.
Wer sich der Obrigkeit nicht beugt wird in abgekarteten Schauprozessen seiner Freiheit entzogen, wie dies bei Michail Chodorkowski und Pussy Riot der Fall ist.
Auf lange Sicht sollte Europa seine Partnerschaft anbieten, um Lösungen für diese aufkommenden Probleme finden zu können. Die Menschenrechte, der Gedanke der Demokratie und der Freiheit, sind in Russland, das auf Grund seiner Geschichte eher europäisch als asiatisch geprägt ist, tatsächlich umsetzbar.
Russland wird aber auch in den nächsten Jahren ein immer wichtigerer Partner im Bereich der Rohstoffversorgung werden, sodass politische und gesellschaftliche Stabilität dort nur im Interesse Europas sein kann.
Im Bezug zum Machtwechsel in Frankreich meint Dr. Schockenhoff, dass da zwar nun ein Sozialist im Élysée-Palast regiere, aber die Politik sich nicht von der Wirtschaft abkoppeln kann. Die Steuergeschenke von François Hollande und die Einführung der Reichensteuer sind der Ideologie geschuldet, führen aber nicht an Arbeitsmarkreformen nach deutschem Vorbild vorbei. Auch müsse sich Frankreich im wirtschaftlichen Bereich derartig ändern, dass so etwas wie ein Mittelstand entsteht und der Einfluss des Staates auf die von Staatskonzernen dominierte Wirtschaft schrumpft. Noch ist Frankreich kein Fall für den ESM, sondern hat zusammen mit Deutschland, die Führungsrolle in Europa inne und wird diese auch behalten können, falls die nötigen Reformen angestoßen werden. Deutschland und Frankreich werden auch weiterhin die treibenden Kräfte sein, die eine europäische Einigung vorantreiben werden, die, so Schockenhoff, auch unverzichtbar ist, bei der Rettung des Euro und der Erhaltung des politischen und wirtschaftlichen Gewichts der EU in einer zunehmend multipolaren Welt. Europäische Integration bedeute auch die Abgabe von bis nationalen Kompetenzen an die EU. Das wird zwar den einzelnen Staaten weh tun aber nur so werde das Projekt Europa Erfolg haben – und erinnert daran, dass er zur ersten Generation in Europa gehört, die ohne Krieg aufwachsen und leben durfte.