Wer über ländliche Räume spricht, kommt am Thema Verkehrsinfrastruktur nicht vorbei. Auch bei der Podiumsdiskussion am Samstagnachmittag, die vom JU-Bezirksvorsitzenden Norbert Lins moderiert wurde, war dies ein Schwerpunkt – allerdings mit einem Fokus auf dem Millardenprojekt „Stuttgart 21“. Jeggle und Locherer machten sich für „Stuttgart 21“ stark. Damit die wichtige europäische Bahn- Magistrale Paris – Budapest nicht an Baden-Württemberg vorbeilaufe, brauche es den Umbau in Stuttgart – zumal nur so eine Anbindung an den Flughafen möglich sei. Kritischen Stimmen unter den Delegierten, dass durch dieses Großprojekt das Geld für die Infrastrukturanliegen der Region fehle, entgegnete Locherer: „Zunächst bringt Stuttgart 21 Geld in die Region“ – und: „Mit der Zustimmung zum Projekt steht die Forderung nach Verbesserung der Zubringerbahnen – wie Südbahn und Allgäubahn.“ Unstrittig war hingegen die Forderung aller Beteiligten, dass die Straßen- Infrastruktur im Regierungsbezirk Tübingen verbessert werden müsse: „B 30 und B 31 – da muss endlich was passieren. So kann das nicht weitergehen“, betonte Locherer. Locherer warb in der Diskussion für eine verstärkte Zusammenarbeit über Gemeindegrenzen hinweg: „Die interkommunale Zusammenarbeit ist ein Schlüssel für eine erfolgreiche Zukunft im ländlichen Raum“, sagte er. Felder dafür sieht der MdL, der zugleich Bürgermeister in Amtzell ist, etliche: bei der neuen Werkrealschule, im Pflegebereich, bei Jugendmusikschulen und bei interkommunalen Gewerbegebieten. Hier könnten Gemeinden enger zusammenarbeiten – und dadurch auch den Flächenverbrauch senken. Er wünschte sich eine stärkere finanzielle Förderung als Anreiz für mehr gemeindeübergreifende Zusammenarbeit. Auch einem Fusion von Kommunen, um eine stärkere Leistungskraft zu erreichen, steht er offen gegenüber: Aber nur auf freiwilliger Basis, nicht durch eine Gemeindereform.
Es fehle an Visionen
Die starke Bedeutung der EU für den ländlichen Raum machte Elisabeht Jeggle in ihrem Eingangsstatement deutlich. Viele Programme, wie etwa das Entwicklungsprogramm für den ländlichen Raum, werden durch die EU mitfinanziert. Die Gelder für den ländlichen Raum im Regierungsbezirk Tübingen kommen aus dem Agrarhaushalt. Deshalb kämpfe sie dafür, dass dieser EU-Agrargaushalt auf dem gleichen Niveau bleibe. Kritik kam aus den Reihen der Delegierten an der EU: Es fehle dort an Visionen. Das wollte Jeggle so nicht stehen lassen: Die erste Vision sei es nach dem Krieg gewesen, eine Zusammenarbeit über Feindschaften hinweg aufzubauen. Das sei erfüllt. Die neue Aufgabe laute: Wie gehen wir in der globalisierten Welt miteinander um? Wie befrieden wir die unruhigen Regionen? „Wir haben noch relativ gut funktionierende ländliche Räume“, sagte Jeggle – und erntete keinen Widerspruch.
Dass dies auch morgen und übermorgen so bleibt, hatte der JU Bezirksvorstand seine Forderungen in einem Leitantrag formuliert, den die 104 Delegierten aus den acht Kreisverbänden der JU im Regierungsbezirk Tübingen beim Bezirkstag berieten. Der Leitantrag formulierte Ziele für eine Zukunft des ländlichen Raums in den unterschiedlichsten Politikbereichen – von der Verkehrsinfrastruktur bis hin zu Bildungsthemen, von Angeboten zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf bis hin zur Agrarpolitik.